1 bischen Punk auf’m Goethetheater – wurd‘ auch langsam Zeit

Autor: knoxx

No future: Generation X , Generation Golf, Generation Wolf? Basiert die Revolte eigentlich nur auf einem ungelösten Vater-Sohn Konflikt? In Bremen wurde nach langer Zeit mal wieder Schillers „Räuber“ gegeben. Und um es möglichst zeitgeistig authentisch zu gestalten, bemühte man Alt-68-er ebenso wie Jugendliche aus Tenever und aus dem Viertel im Umfeld vom Sielwallhaus, dem allerletzten Hort einiger aufrechter, politisch engagierter Kids.

Gleich zu Anfang erklärt eine jugendliche „strukturelle Anarchistin“ mit Iroschnitt „die Grenzen verlaufen nicht zwischen rechts und links sondern zwischen oben und unten“. Während die Jugendlichen zwischen Bierkisten über den globalen Kapitalismus wüten, gibt Vater Moor 68-er Statements zum Besten, die werden jedoch kaum verstanden. Die Punks wissen nur eins: es geht immer um Geld und sie wollen nicht in „sweat shops“ ausgebeutet werden, Schule, Ausbildung, Arbeit, Tod … dann lieber als Punk leben, u.a. in ihrem Freiraum „Sielwallhaus“, redlich erkämpft.

Die Jugendlichen halten den saturierten Viertelbürgern ein Spiegelbild vor. Die Bühnenwut schwappt durchaus glaubwürdig über die Bühne. Derweil geht das Spiel weiter, der jüngere Bruder, der sich weniger geliebt glaubt, intrigiert gegen den Älteren und schwärzt ihn beim Vater an, der dazu neigt, dem Karl Moor seine Jugendtorheiten zu verzeihen. Außerdem ist er auf dessen Freundin Amalia scharf. Also schürt der Schurke das Zerwürfnis und fälscht gar Briefe. Die Reflexionen des Alt-68-ers Vater Moor, unschwer als unser Viertelbürgermeister Bücking zu erkennen, über die Dialektik von Gewalt – Gewalt gegen Sachen ja, gegen Personen nein – haben sich inzwischen erledigt. Die jugendlichen Punks um Karl Moor haben sich in eine veritable Räuberbande vewandelt, die Klöster und kleine Städte überfallen und brandschatzen. Karl Moor gibt immer noch den Robin Hood.

Die Räuberbande posiert zu den Klängen von DAF „Verschwende deine Jugend“ und ist unschwer als RAF-Truppe zu erkennen. Sie purzeln in einer Röhre, mit Camouflage verkleidet, karussellartig übereinander und präsentieren sich in schicken roten Anzügen mit MPs garniert. Die Spirale der Gewalt dreht sich immer weiter, so könnte man das Bühnenbild interpretieren. Einige ältere Herrschaften hinter uns haben genug von der lauten Musik und den wilden Parolen und gehen, jedoch ohne lauten Protest. Franz gibt den schurkischen Triebtäter, den Nihilisten per se, „der Mensch entsteht aus Morast und endet auch in einem solchen“, doch er scheitert mit seinem Versuch, die heiß begehrte Amalia zu vergewaltigen, an deren bewaffneter Gegenwehr und glaubt sie ihm die Lüge von Karls Tod nimmer. Dann gibt’s wieder fett Pogo. „Nimm Dir was Du willst … verschwende Deine Jugend“, die Party geht weiter und die Bande hat inzwischen gar die Bremer Stadtmusikanten geraubt, ist also höchst erfolgreich, da zeichnet sich ein Zerwürfnis zwischen Karl und der Bande ab.

Der Vater überbringt ein Angebot des Staates auf begrenzten Straferlass und er fleht ihn an darauf einzugehen, “wir brauchen doch diese bürgerliche Gesellschaft, die Organisation von Arbeit & Markt – hallo Guido! – so schlecht ist das doch gar nicht“ – und „ich organisiere eben Kompromisse“ als direktes Ortsamtsleiter Zitat. Dieses schwammige Reformismusgeschwätz bringt das Fass zum Überlaufen. .„Revolutionsverräter, Kompromissler … Ihr seid traurige Figuren geworden, alles zurückreformieren … schaut Euch nur um, wo bleibt der Mensch.“

Die Räuber erschießen den alten Moor und wollen bis zur letzten Patrone fighten. Amalia erscheint, ihn zu stoppen, wirft sich Karl in die Arme, er erschießt sie, sein letztes Opfer für die sinnlos gewordene Revolution. “Ich hab‘ Euch einen Engel geschenkt!“ Dann will er sich ergeben, und wird von seiner Truppe erschossen. So endet die Jugendrevolte am Ende in nacktem Terror und Gemetzel. Muss es denn tatsächlich so sein? Die Frage wird offen gehalten, und die indifferente Haltung der inzwischen etablierten 68-er an den Pranger gestellt – früher haben sie Häuser besetzt, jetzt besitzen sie selbst welche. So kann es enden, wenn aus revolutionären Theorien keine alltagstaugliche Lebenspraxis wird.

Insgesamt eine lebendige, gelungene Inszenierung, die Spaß macht. Volker Lösch und sein Team haben gute Arbeit geleistet, besser kann man heute „die Räuber“ nicht inszenieren, Peter Zadeks legendäre Aufführung in Bremen fand schließlich 1967 statt. Dabei frage ich das Ortsamt, warum der Ulrichsplatz (who is that nice guy?) nicht viel besser Peter Zadek-Platz hieße, denn hier blühte das berühmte Bremer Theater, nicht da hinten am Buntentorsteinweg.

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